Sich auf das Sterben vorbereiten

Jeder wünscht sich einen gnädigen Tod. Aber was ist das eigentlich? Was bedeutet das für Sterbende und ihre Angehörigen? Wie wir voneinander Abschied nehmen können
Lebensabend: Niemand befasst sich gerne mit dem Tod. Aber eine gute Vorbereitung kann den letzten Weg erleichtern
Man muss das Leben genießen, solange man noch krauchen kann", steht da auf der Rückseite des Buchs. Der Roman handelt von zwei Rentnerinnen auf Kreuzfahrt, die auch mal Wurst vom Buffet klauen. Maria Bachmayer (70, Name geändert) hat ihn in einem Zug durchgelesen – und vor Lachen feuchte Augen, wenn sie davon erzählt. Die Botschaft der Lektüre hat sie zu ihrem Credo gemacht, immer wieder betont sie: "Genieße das Leben, lebe und gehe auf Reisen." Maria Bachmayer wird bald sterben. Sie hat Krebs im Endstadium, ist Gast im Haus Wegwarte, einem kleinen Hospiz in Neuruppin im Norden Brandenburgs.
Meine Beerdigung wird bunt
Jeder wünscht sich einen gnädigen Tod. Aber was stellen wir persönlich uns eigentlich darunter vor? Niemand setzt sich gerne mit diesem Thema auseinander. Der Tod hat seinen festen Platz in der hinterletzten Ecke des Bewusstseins. Er ist immer da, aber eben auch immer sehr weit weg. Dabei wären wir gut beraten, wenn wir uns einmal konstruktiv mit unserer Endlichkeit auseinandersetzen, meint Professorin Claudia Bausewein, Lehrstuhlinhaberin für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Genau das haben ihr zufolge Forscher der Universität von Kalifornien in San Diego (USA) gemacht. Sie wollten herausfinden, was einen guten Sterbeprozess ausmacht, und analysierten 36 Studien aus den Jahren 1996 bis 2015, für die Sterbende, Angehörige und das Klinikpersonal befragt worden waren. Im Fachblatt The American Journal of Geriatric Psychiatry veröffentlichten die Wissenschaftler die Kernthemen, die allen Beteiligten am bedeutendsten erschienen für das Wohlbefinden des Menschen auf seinem letzten Weg.
Was am Ende wichtig wird
Die wichtigsten Themen, da waren sich alle einig, sind Sterbeszenario, Schmerzfreiheit und Symptombehandlung sowie emotionales Wohlbefinden. Aber es gab auch Unterschiede. Zum Beispiel legten die Sterbenden mehr Wert auf Religiosität und Spiritualität als ihre Angehörigen. Diese wünschten sich vor allem, dass die Sterbenden in Würde gehen können.
Maria Bachmayer ist es wichtig, was die Gäste auf ihrer Beerdigung tragen. In Bunt und nicht in Schwarz sollen sie kommen. Mit dem Sterben hat sich die Krebspatientin schon lange auseinandergesetzt. Im Moment genießt sie einfach die Ruhe, die im Hospiz herrscht. "Das Essen ist gut, ich habe Zeit zum Lesen, und manchmal kommt ein Pfleger mit seiner Gitarre und spielt mir ein Ständchen." Sie sei froh, dass es diesen Ort gebe. Hier könne der Mensch Mensch sein.
Schon früh mit den Angehörigen sprechen
In der US-Studie hatten Patienten und Angehörige ähnliche Vorstellungen vom idealen Tod: zu Hause im engsten Kreis und bei klarem Bewusstsein. Oder ein stilles Sterben im Schlaf. Und zum Sterbeszenario zählte auch, vorbereitet zu sein. Dass von der Beerdigung bis zum Testament alles geregelt ist.
"Diese Wünsche um den Sterbeprozess sind wichtige Fragen, die die Menschen im Vorfeld bewegen", sagt Palliativmedizinerin Bausewein. Das beinhalte aber auch, dass man darüber redet, dass das Leben endet – und dann gemeinsam mit dem Betroffenen überlegt, wo er sterben möchte, wer dabei sein soll, ob die Medizin alles Machbare tatsächlich durchführen muss. "Das sind Dinge, die sollte man nicht erst in der letzten Lebenswoche besprechen", betont Bausewein.
Kein Ort zum Dahinsiechen
Wenn jemand zum Beispiel palliativ versorgt zu Hause sterben wolle, brauche es Zeit, um alles zu organisieren. Es sei ratsam, früh den Kontakt zu einer Hospiz- oder Palliativeinrichtung zu suchen. Zum einen weil dann Wünsche erfragt und eventuell umgesetzt werden können. Zum anderen weil vor allem bei Hospizen in der Regel mit einer Wartezeit von einigen Tagen bis Wochen gerechnet werden muss.
Den idealen Ort zum Sterben, den gibt es laut Expertin Bausewein nicht. "Manche Menschen gehen bewusst ins Krankenhaus oder ins Hospiz und wollen eben nicht zu Hause sterben." Letztendlich seien das immer sehr individuelle Entscheidungen und Wünsche.
Maria Bachmayer wollte nicht in den eigenen vier Wänden sterben. "Aber zu Hause wissen sie, dass es mir hier gut geht", sagt sie. Doch manche ihrer Angehörigen hätten schon Schwierigkeiten gehabt, als das Wort Hospiz zum ersten Mal fiel. Maria Bachmayer findet es schade, dass dieser Begriff so negativ belegt ist. "Die Menschen glauben, das hier sei ein Ort zum Dahinsiechen."
Medizinisch umsorgt wie nie
Dieser Ruf rührt laut Bausewein unter anderem daher, dass viele Menschen glauben, diese Art von Betreuung wirklich nur am Lebensende zu brauchen. Wenn sie dem Tod bereits sehr nahe sind. "Die Vorstellung, dass Palliativmedizin immer mit Sterben gleichgesetzt wird, wird dann zur selbsterfüllenden Prophezeiung."
Tatsächlich verfolgt die Palliativmedizin nicht das Ziel, Krankheiten zu heilen. Die Versorgung soll Symptome unheilbarer Krankheiten lindern – und kann deshalb schon ein bis zwei Jahre vor dem Tod für den Patienten hilfreich sein. Eine gute Betreuung trägt zu einem Sterben ohne Leiden bei, ohne Schmerzen und andere quälende Beschwerden.
Hospizarbeit kann auch die Angehörigen einbeziehen
In der Palliativmedizin und der Hospizarbeit kümmert man sich jedoch nicht nur um den Sterbenden selbst. "Ein Großteil unserer Arbeit gilt auch den Angehörigen", berichtet Renate Schwarz, Leiterin des Hospizes in Neuruppin. Vor allem gehe es dabei um Fragen, wie man es als Angehöriger aushalte oder was passiere, wenn der geliebte Mensch wirklich nicht mehr da sei. Manchmal gehe es auch darum, Konflikte zu klären und zwischen den Patienten und den Angehörigen zu vermitteln.
Gerade in der Sterbephase selbst gestalte sich die Betreuung der Patienten oft gar nicht mehr so herausfordernd, weil die Symptome gut kontrolliert sind, weil die Situation vielleicht sogar sehr entspannt ist. Die, die dann leiden, seien die Angehörigen. "Sie brauchen deutlich mehr Aufmerksamkeit von uns", berichtet Schwarz.
Intensiv betreut im Hospiz
Für Maria Bachmayer ist alles geklärt, was zu klären war – schon lange bevor sie ins Hospiz kam, wie sie erzählt. Jetzt sei sie einfach nur froh über diesen Ort. "Ich fühle mich hier richtig umsorgt. Im Krankenhaus hätte man für mich ja gar keine Zeit."
Gerade dieses Gefühl des Umsorgtseins erlebten viele als eine große Erleichterung, sagt Palliativmedizinerin Bausewein. "Viele Menschen haben mit der Bewältigung der Situation des Lebensendes größere Probleme." Aber Psychologen, Seelsorger und die intensive Betreuung durch Krankenschwestern und Pfleger können zu einem emotionalen Wohlbefinden beitragen. Oft hätten Patienten so etwas in ihrer Krankheitsgeschichte, in unserem Gesundheitssystem vorher nie erfahren.
Sehnsucht nach der Ferne
Maria Bachmayer, so scheint es, hat einen recht pragmatischen Umgang mit ihrem Sterben gefunden: "Ich wollte noch nicht gehen – aber so ist das Leben nun mal", sagt sie und muss lächeln. Es gebe nur wenige Dinge, die sie rückblickend anders machen würde. Mehr reisen zum Beispiel. "Das einzige Mal, dass ich den Osten verlassen habe, war für einen Urlaub in Bayern", erzählt sie. "Dort war es ziemlich sauber, aber heute wünsche ich mir, doch mehr von der Welt gesehen zu haben", sagt Maria Bachmayer. "Genießt das Leben und geht auf Reisen."
Zum Thema
Palliativversorgung: Ein gutes Ende
Viele Schwerstkranke wünschen sich, den letzten Lebensabschnitt zu Hause zu verbringen. SAPV-Teams helfen bei der Organisation und Versorgung
Ein besseres Recht auf Sterben in Würde
Quelle: Den ganzen Artikel lesen