Seid’s ihr narrisch?

„Dabeisein ist alles!“ – „Hauptsache, es macht Spaß!“ Kein sportlicher Wettkampf ohne Beteuerungen wie diese. Oft wirken sie etwas zynisch, wenn man in die verkrampften, verschwitzten Gesichter der Sportler schaut. Gesichter, denen man den unbedingten Willen zum Sieg ansieht – oder den Wunsch, alles möge schon vorüber sein.
Während sich professionelle Sportler immer wieder in anstrengende Duelle stürzen und sich gegenseitig übertrumpfen wollen, sind viele Normalbürger schon seit den Bundesjugendspielen von solchem Kräftemessen abgeschreckt.
Doch es gibt noch eine dritte Fraktion: Menschen, die sich ihren Spieltrieb nicht nehmen lassen und in den abenteuerlichsten Disziplinen gegeneinander antreten. Sie bauen bemannte Boote aus Pappe, kämpfen um den Meistertitel im Schneeballwerfen oder fahren mit Schlitten um die Wette, aus denen sie längst herausgewachsen sind. Dabei haben sie nicht nur selbst unheimlich viel Spaß, sondern bringen auch viele Zuschauer dazu, um die Wette zu lachen.
Das Prinzip ist dabei immer gleich: maximal ernsthaft an eine verrückte Aufgabe herangehen. Daraus entsteht eine große Ausgelassenheit, eine Verbundenheit in der Absurdität. Hier stellen wir drei Wettbewerbe vor, bei denen der Spaß tatsächlich an erster Stelle steht.
Weltmeister im Schneeballwerfen
Selbstbewusst nennen die Organisatoren ihr Event „Schneeballschlacht-WM“. „Man darf sich ja nicht kleiner machen, als man ist“, sagt Thorsten Kramer, der die Veranstaltung vor fünf Jahren mitkonzipierte. Entstanden ist sie ursprünglich, um jüngere Zuschauer zu einem Biathlon-Event in der Schalke-Arena in Gelsenkirchen zu locken. Schnee wird dafür ohnehin in Massen herangeschafft, warum nicht noch mehr daraus machen?
Und so funktioniert’s: Eine Mannschaft besteht aus drei Spielern mit maximal zwei Auswechselspielern. Immer zwei Mannschaften bewerfen sich gegenseitig mit selbst gerollten Schneebällen. Jeder Treffer ist ein Punkt, das Team, das nach fünf Minuten am meisten Punkte hat, gewinnt.
Allzu klein machen müssen sich die Veranstalter tatsächlich nicht: Im Finale kämpfen die Schneeballwerfer vor bis zu 45.000 Zuschauern, Dimensionen, die man sonst nur aus dem Fußball kennt.
Die nächste Schneeballschlacht-WM findet am 29. Dezember 2018 statt. Grundsätzlich kann jeder teilnehmen, der mindestens 16 Jahre alt ist. Die Startgebühr beträgt 50 Euro pro Team. Nur die Titelverteidiger aus dem Vorjahr haben einen garantierten Platz, ansonsten gilt, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Hier geht’s zur Anmeldung.
Eine obligatorische Schutzausrüstung wird gestellt: Skibrille und Helm. Abgesehen davon dürfen die Teilnehmer anziehen, was sie möchten und so sieht man immer wieder Schneeballwerfer in fantasievollen Kostümen.
Plastik unterm Hintern
Der Minibob, auch Zipfelbob, ist ein Plastikschlitten für Kinder. Doch auch unter Erwachsenen hat das Gefährt viele Anhänger. Im süddeutschen Mittenwald haben Bob-Liebhaber sogar einen Verein gegründet, um ihrem Hobby zu frönen.
Jedes Jahr an Pfingsten werfen sich die etwa 20 jungen Männer in ihre Lederhosen und liefern sich ein Minibob-Rennen am Dammkar im Karwendelgebirge. Auf der sieben Kilometer langen und teils sehr steilen Skiabfahrt kann man zu dieser Jahreszeit nur noch abschnittsweise über Schnee fahren, danach geht’s über Geröll weiter.
„Das geht aber genauso gut“, sagt Christian Sailer, einer der Vereinsgründer. Blutige Kratzer an Knien und Knöcheln müsse man schon in Kauf nehmen, genau wie einen Muskelkater am nächsten Tag. „Vor allem in den Oberschenkeln, vom Beinehochhalten.“ Und im Bauch, vom Lachen.
Schlimmeres passiert normalerweise nicht beim Pfingstrennen. „Aber sehr kalt wird’s: Die Lederhose geht ja nur bis zu den Knien, da kommt viel Schnee rein“, gibt Sailer zu. „Aber durch das Adrenalin bei der rasanten Abfahrt merkt man das kaum. Und nach einem anschließenden Schnaps in der Dammkarhütte wird einem schnell wieder warm.“
Auch vereinslose Plastikschlitten-Fans können mitunter auf ihre Kosten kommen. Vergangenen Februar wurde am Dammkar erstmals ein „Zipfelbob Gauditag“ veranstaltet. Jeder, der Lust hatte und sich traute, konnte sich mit eigenem oder geliehenem Gerät die Piste hinunterstürzen. Für Skifahrer war die Abfahrt an diesem Tag gesperrt. Mehr als 100 Teilnehmer machten mit.
Auf seiner Facebookseite informiert der Hersteller der Minibobs über ähnliche Events.
In papiernen Booten
Wer sich das Papierbootrennen auf dem Starnberger See so vorstellt, dass rasch gefaltete DIN-A4-Zettel gegeneinander um die Wette treiben, liegt ganz falsch. Tatsächlich geht es hier um bemannte Schifffahrt, mit bis zu zwölf Personen an Bord. Die Seefahrer müssen 150 Meter paddeln, ohne zu kentern.
Familien, Vereine, Kindergärten und Schulen bauen tagelang an metergroßen, papiernen Wasserfahrzeugen. Verwenden dürfen die Teilnehmer nichts als Papier, Pappe, Paketschnur, Tapetenkleister und Dispersionsfarbe. Lack ist verboten, der würde die Boote abdichten und so die Spannung aus dem Rennen nehmen.
Bevor sich die Wettstreiter aufs Wasser begeben, prüft eine fachkundige Jury die Boote. Im Juli 2018 beurteilte ein Bootsbauer die Konstruktion, eine Architektin die Aufbauten, eine Autorin ordnete die kulturellen Einflüsse ein, und eine Malerin prüfte den künstlerischen Wert.
Dann kam die Stunde der Wahrheit: Die Teams mussten beweisen, dass ihre Konstruktionen seetüchtig sind. Zuvor testen konnten sie es nicht, sonst wären die Boote schon vor dem Start aufgeweicht. In diesem Jahr versanken vier von 21 Booten im See.
Die Idee zum Papierbootrennen hatte die Kulturpädagogin Petra Bezdek. Inspiriert von einem ähnlichen Event auf Spiekeroog, rief sie es 2009 in Starnberg ins Leben. „Dass man mal etwas Verrücktes machen darf, ohne einen richtigen Zweck, wie als Kind, das begeistert viele Teilnehmer“, sagt Bezdek.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen